Corona in Namibia

Lockdown und Folgen von SARS2-CoV19

Von Anja Vollmar

In Namibia gab es einen kompletten Lockdown am 15. März, nachdem 2 Covid Fälle bestätigt wurden.

Alle Schulen, Unis und Kindergärten wurden sofort geschlossen sowie alles, was nicht lebensnotwendig war.
Es war sehr schnell klar: Sollte sich das Virus hier oder in ganz Afrika ausbreiten gibt es eine Katastrophe. Die wichtigsten Maßnahmen, wie Abstand halten und Hygieneregeln, sind hier kaum oder nur sehr schlecht umzusetzen.
Zu diesem Zeitpunkt gab es im ganzen Land (ca. 2,5 Millionen Einwohner) nur 83 Beatmungsgeräte und 85 Intensivbetten … Inzwischen wurde in vielen Städten und kleineren Ortschaften aufgerüstet, auch kamen Spenden ins Land.
Die Stadtverwaltungen haben Tanks mit Seifenwasser (Tippi Taps) aufgestellt (in den Siedlungen die nicht an der Wasserversorgung angeschlossen sind) damit sich die Menschen wenigstens ab und zu die Hände waschen können. Außerdem haben sie ca. 1200 Toiletten aufgestellt …
Alle Haushalte, deren Wasser wegen ausstehender Rechnungen abgeschnitten war, wurden sofort wieder an die Wasserversorgung angeschlossen.
Es gab – anders als in den meisten europäischen Ländern – ein totales Alkoholverbot. Damit wollte man zum einen Kriminalität, die auf Alkoholmissbrauch basiert, ausschließen, zum anderen wollte man aber auch gesellige Runden vermeiden, in denen Alkohol konsumiert wird und somit nicht mehr auf den geforderten Mindestabstand geachtet werden kann.

Es gab und gibt einen sogenannten Rettungsschirm für einige Betriebe, um das Schlimmste zu verhindern. Für die ärmste Bevölkerungsschicht gab es eine Soforthilfe von 750 Namibia Dollar. Es war recht unbürokratisch, man konnte den Antrag über ein Handy stellen und bekam das Geld (es sollte nur 2-3 Tage dauern) auch über das Handy. Es stand Namibier zwischen 18 und 60 Jahren zu, fast zwei Drittel aller Namibier waren berechtigt … Auch wurden in einigen Regionen Lebensmittelpakete ausgeteilt. Ich persönlich finde, es war eine große Kraftanstrengung der Regierung.

Leider haben aber nicht alle das Geld erhalten, da der Topf vorher leer war.

Es gab ein generelles Verbot Kündigungen wegen Covid-19 auszusprechen, doch natürlich wurde das nicht eingehalten. Besonders Hausangestellte, die oftmals ohne richtigen Vertrag arbeiten, wurden nicht weiter beschäftigt.
Ansonsten hatte der totale Lockdown die gleichen Auswirkungen wie überall auf der Welt, die Tourismusindustrie brach komplett zusammen, viele Restaurants und Cafés haben es nicht „überlebt“ …

Lange Zeit hatte Namibia nur 16 bestätigte Fälle, 45 Tage lang gab es nicht einen einzigen neuen Fall und wir hatten alle die Hoffnung, es „geschafft“ zu haben.
Leider hat sich das komplett geändert.

Alle LKW Fahrer, die Nahrungsmittel und andere Güter aus Südafrika transportieren (Namibia importiert 95 % aller Güter aus Südafrika), müssen nach der Einreise 14 Tage in Quarantäne. Zwei Fahrer sind aus der Quarantäne „ausgebüxt“ und mehrere Stunden durch Walvis Bay gelaufen bis sie auf das Virus positiv getestet wurden. Seitdem steigen die positiven Fälle rasant an. Deshalb hat der Präsident erst für Walvis Bay und dann für die komplette Erongo Region, später auch für Windhoek, wieder den totalen Lockdown angeordnet. Es gab einen Aufschrei in der Bevölkerung, natürlich war das ein herber Rückschlag nach den Lockerungen. Es wurden sofort wieder alle Schulen und Geschäfte geschlossen, nachdem es gerade begonnen hatte …

Durch die allgemeine Corona Situation hat sich die Lage gerade für die ärmste Bevölkerungsschicht drastisch verschlechtert. Viele halten sich durch kleine Nebenverdienste wie Bonbons verkaufen gerade so über Wasser. Sie sitzen in den Pausen an den Schulen und bieten Süßigkeiten und auch kleine Snacks an. Der Verdienst ist wirklich sehr, sehr gering, doch sie können davon zumindest einmal ein Brot für die Kinder kaufen oder auch mal eine Seife … Andere haben am Straßenrand Früchte und Gemüse verkauft, doch auch diese informellen Händler wurden verboten, da sie die erforderlichen Hygiene- und Abstandsvorschriften nicht einhalten können.

Viele Menschen dort haben einfach gar keine Chance mehr, irgendeine Art von Einkommen zu erwerben.

Die meisten Menschen arbeiten in der Tourismusbranche, die ja komplett zum Erliegen gekommen ist. Gästefarmen, Lodges, Restaurants … ohne Touristen ist fast alles geschlossen. Die Angestellten dort werden größtenteils nach Hause geschickt. Man sagt, dass ein Angestellter durchschnittlich 10 Familienmitglieder versorgt. Somit fällt diese Versorgung komplett weg.
Auch die Tourguides und die Guides, die auf den Lodgen arbeiten, haben keine Arbeit mehr … Die Wildhüter vor Ort werden normalerweise von den Touristen finanziert. Auch hier kommen haufenweise Hilferufe für Spenden … Selbst die kleinen Straßenhändler, Nüsschen-Schnitzer und Parkwächter haben keinen Verdienst mehr.

Die Menschen verzweifeln und verhungern gerade an den Corona-Maßnahmen.

Für die Schulkinder wurde Online-Unterricht eingerichtet. Das hat ja schon in Deutschland nicht so gut geklappt, in Namibia natürlich noch viel weniger. Die Allermeisten haben kein Smartphone und natürlich auch kein Wlan in den Hütten … Man kann Datenvolumen kaufen, doch die Wenigsten haben dafür jetzt das Geld. So wurden und werden von den Lehrern Arbeitspapiere für die Kinder erstellt, die sie sich einmal in der Woche an den Schulen abholen konnten/können. Aber gerade die kleineren Kinder sind nicht in der Lage, zu Hause alleine zu lernen. Viele Eltern haben selbst die Schule kaum besucht und können nicht wirklich helfen.

Die meisten Kinder sind jetzt mehr als 6 Monate nicht mehr zur Schule gegangen. Die Schulklassen sind hier oft überfüllt, Klassen bis zu 50 Schüler sind keine Seltenheit. So ist an Abstand halten natürlich nicht zu denken.
Die Regierung ist nun dabei die Schulen aufzurüsten. Toiletten werden gebaut oder in Stand gesetzt, Waschbecken installiert, Leitungen gelegt …
Für die Instandhaltung der Schulen ist nie genug Geld vorhanden, nun muss alles auf einmal gemäß den, vom Gesundheitsamt vorgegebenen, Hygienerichtlinien vorbereitet werden.

Die Corona-Regeln sind hier wesentlich strenger als in Deutschland.

Bevor man ein Geschäft betritt, steht man meistens in einer langen Schlange, da nur eine bestimmte Anzahl Personen pro Quadratmeter erlaubt sind. Dann werden die Einkaufswagen desinfiziert, dann die Hände, Fieber gemessen und danach muss man sich in eine Liste eintragen damit bei einem positiven Corona-Fall die Ansteckungskette schnell gestoppt werden kann.
Diese Maßnahmen sind nach den Lockerungen eingeführt worden. Außerdem besteht hier Maskenpflicht an allen öffentlichen Plätzen, außerhalb wie innerhalb eines Gebäudes.

Einwohnerzahl Namibia: ca. 2,5 Millionen Menschen

Zum Stand 01. September 2020 hatte Namibia bei 62.446 durchgeführten Tests:

  • 7.698 bestätigte positive Fälle
  • 3.327 genesene Fälle
  • 4.151 noch aktive Fälle
  • 81 Tote

In Walvis Bay und Swakopmund sinken die Zahlen langsam, in Windhoek und Umgebung und im Norden steigen die Zahlen weiter an.

Obwohl die Grenze für die Belebung des Tourismus ab dem 01. September wieder geöffnet wurde, wird es wahrscheinlich noch dauern, bis es dort zu eiener Verbesserung der Lage kommt. Die Auflagen von namibischer und von deutscher Seite sind noch zu hoch.
Da es noch kein geeignetes Gegenmittel oder einen Impfstoff gibt, wird sich die Situation der Menschen vor Ort in Namibia noch lange nicht verbessern.

Deshalb sind sie mehr denn je auf unsere Hilfe angewiesen.

VIELEN DANK!
Anja Vollmar